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Was ist ein CIRS-System?
CIRS steht für “Critical Incident Reporting System” und ist ein anonymes Meldesystem für unerwünschte Ereignisse im Gesundheitswesen. Es ermöglicht allen Beteiligten, unerwünschte Ereignisse, Fehler und Sicherheitslücken ohne Angst vor Konsequenzen zu melden. Ziel ist es, aus diesen Ereignissen zu lernen, Problemfelder zu identifizieren, Optimierungsmassnahmen zu definieren, Risiken zu minimieren und somit die Patientensicherheit kontinuierlich zu verbessern. In der Schweiz wird CIRS sowohl im stationären Bereich (Somatik, Psychiatrie, Reha, Langzeitpflege usw.) als auch in der ambulanten Versorgung eingesetzt.
Wie läuft eine CIRS-Meldung ab?
Die genaue Vorgehensweise bei einer CIRS-Meldung kann von Einrichtung zu Einrichtung variieren. Im Allgemeinen ist der Prozess jedoch wie folgt:
- Identifizierung eines unerwünschten Ereignisses: Ein Mitarbeiter des Gesundheitswesens erkennt ein Ereignis, das hätte verhindert werden können und das zu einem Beinahe-Schaden für den Patienten hätte führen können.
- Meldung des Ereignisses: Das Ereignis wird online oder über ein Formular auf Papier gemeldet. Die Meldung sollte so detailliert wie möglich sein und alle relevanten Informationen enthalten.
Die Meldung kann anonym oder offen erfolgen. Bei anonymen Meldungen werden keine persönlichen Daten wie Namen oder spezifische Ortsangaben erfasst. Dies ermöglicht es den Mitarbeitern, sicherheitsrelevante Ereignisse ohne Angst vor Repressalien zu melden.
Wenn der Meldende seine Identität offen angibt, kann dies in manchen Fällen hilfreich sein, um Rückfragen zu klären oder detaillierte Informationen zu erhalten. - Anonymisierung und Analyse der Meldung: Die Meldung wird durch den CIRS-Verantwortlichen anonymisiert und von Experten in einem CIRS-Zirkel analysiert. Ziel der Analyse ist es, die Ursachen des Ereignisses zu verstehen und daraus zu lernen.
- Entwicklung von Verbesserungsmassnahmen: Basierend auf der Analyse werden Verbesserungsmassnahmen entwickelt, um ähnliche Ereignisse in Zukunft zu verhindern.
- Umsetzung der Verbesserungsmassnahmen: Die Verbesserungsmassnahmen werden in der Praxis umgesetzt.
- Weiterleitung ans nationale Netzwerk: Aus dem lokalen CIRS-Meldesystem können CIRS-Meldungen an das nationale Netzwerk CIRRNET geschickt werden. CIRRNET unterscheidet sich von den meisten CIRS-Netzwerken dadurch, dass überregional relevante Problemfelder identifiziert, gemeinsam mit Experten Verbesserungsempfehlungen entwickelt und in Form von Quick-Alerts® durch Patientensicherheit Schweiz veröffentlicht werden. (Quick-Alerts® – Patientensicherheit)
Beispiele für CIRS-Meldungen
Beispiel 1: Eine Pflegefachfrau verwechselt versehentlich die Medikamente zweier Patienten. Durch das Eingreifen einer aufmerksamen Kollegin kann ein Schaden für die Patienten verhindert werden.
Beispiel 2: Ein Patient wird nach einer Operation nicht ausreichend überwacht und erleidet einen septischen Schock. Dank einer schnellen Reaktion des Teams kann der Patient gerettet werden.
Beispiel 3: Ein Arzt übersieht eine wichtige Information in der Patientenakte, was zu einer Fehldiagnose führt. Durch das CIRS-System wird der Fehler erkannt und es können Massnahmen ergriffen werden, um ähnliche Fehler in Zukunft zu vermeiden.
Beispiel 4: Ein Patient ist mit seinem Rollator im Aussenbereich der Klinik unterwegs zum Raucherbereich. Der Zugang ist durch einen Bordstein erschwert, wodurch der Patient beinahe gestürzt wäre und sich nur knapp abfangen konnte. Eine solche Meldung hilft, bekannte Stolperfallen zu beseitigen, indem entsprechende Schutzmassnahmen (z.B. Hinweisschilder oder barrierefreier Umbau) durchgeführt werden.
Vorteile von CIRS-Meldungen
CIRS-Meldungen haben viele eindeutige Vorteile, sowohl für Patienten als auch für das gesamte Gesundheitssystem:
- Erhöhte Patientensicherheit: Durch das Melden und Analysieren von kritischen Ereignissen können potenzielle Gefahren frühzeitig erkannt und neue Verbesserungsmassnahmen zur Risikoreduktion entwickelt werden
- Verbesserte Arbeitsabläufe: Die Analyse der Berichte hilft, Systemfehler und Schwachstellen zu identifizieren und zu beheben, was die Effektivität und Effizienz der Arbeit steigert.
- Anonyme und sanktionsfreie Berichterstattung: Mitarbeiter können ohne Angst vor Konsequenzen über Fehler berichten, was zu einer offenen Kommunikations- und positiven Fehlerkultur, in der Fehler als Lernchancen gesehen werden, beiträgt. (Praxistipps für Krankenhäuser)
- Höhere Mitarbeiterzufriedenheit: Ein offenes und sicheres Arbeitsumfeld trägt massgeblich zur Zufriedenheit der Mitarbeiter bei, denn die Vertraulichkeit der Meldungen stärkt das Vertrauen der Mitarbeiter in das System und fördert die Bereitschaft, die Vorfälle zu melden. (CIRS Management)
- Reduktion von vermeidbaren Krankenständen und Fluktuation: Durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Förderung einer Sicherheitskultur können Krankenstände und Mitarbeiterfluktuation gesenkt werden.
- Reduktion der Krankenhaus- und Behandlungskosten: Durch die Vermeidung von Fehlern und unerwünschten Ereignissen können die Kosten für zusätzliche Behandlungen und längere Krankenhausaufenthalte gesenkt werden.
- Reduktion von rechtlichen Auseinandersetzungen und Haftungsrisiken: Eine verbesserte Patientensicherheit und Dokumentation kann das Risiko von rechtlichen Auseinandersetzungen und Haftungsfällen sowie die damit verbundenen Kosten verringern. Zudem ist ein CIRS bei rechtlichen Prüfungen und Audits von Vorteil.
- Erfüllung gesetzlicher Anforderungen: Durch die Implementierung eines CIRS können stationäre und ambulante Leistungserbringer im Schweizer Gesundheitssystem sicher stellen, dass sie die gesetzlichen Anforderungen im Artikel 58a des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) sowie im Artikel 58g und 58d der Krankenversicherungsverordnung (KVV) erfüllen und gleichzeitig die Patientensicherheit und die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessern.
Fazit
CIRS-Meldungen sind ein wichtiger und unerlässlicher Bestandteil der Qualitätssicherung im Schweizer Gesundheitswesen. Durch die anonyme Meldung und systematische Analyse von unerwünschten Ereignissen können Schwachstellen im System frühzeitig erkannt und gezielt behoben werden. Dies führt nicht nur zu einer signifikanten Erhöhung der Patientensicherheit, sondern auch zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung. Darüber hinaus fördern CIRS-Meldungen eine offene Fehlerkultur, die das Vertrauen der Mitarbeiter stärkt und ihre Bereitschaft zur Meldung von Vorfällen erhöht. Insgesamt tragen CIRS-Meldungen massgeblich dazu bei, die Effizienz und Effektivität des Gesundheitswesens zu steigern und eine sichere und qualitativ hochwertige Patientenversorgung gemäss den gesetzlichen Anforderungen zu gewährleisten.
Die kontinuierliche Verbesserung der Patientensicherheit und Qualität kann zudem langfristig zu einer besseren finanziellen Stabilität und Rentabilität der Einrichtung führen. Diese Einsparungen tragen dazu bei, die Gesamtkosten im Gesundheitssystem zu senken und gleichzeitig die Qualität der Versorgung zu verbessern.